Wertstoffhof: „nicht mit dem Bürgermeister abgesprochen“

Im Juli staunten viele Vaterstettenerinnen und Vaterstettener nicht schlecht: Plötzlich waren alle Bücher und Waren verschwunden – die Leitung entfernte kurzerhand sämtliche weiterverwertbaren Gegenstände. Diese werden nun als Restmüll behandelt. Der Bürgermeister übt Kritik und gelobt Besserung.

In Bewegung kam die Sache Mitte Juli: Mehrere Zuschriften erreichten unsere Redaktion, die Bücher und Güter am Wertstoffhof seien entfernt worden. Als wir uns bei der Müllentsorgung selbst ein Bild machen wollten, berichtete man uns von einer Anordnung von oben – also begab sich unsere Redaktion auf eine Spurensuche.

Konkret geht es um den Bereich am Beginn der Wertstoffhof-Rampe, kurz hinter der Auffahrt beim Betriebshäuschen: Hier legten Nutzer brauchbare und weniger brauchbare Waren ab. Jeder, der Interesse hatte, konnte diese Waren dann mitnehmen. Ebenfalls entstand eine Ablagestelle für Bücher, die rege genutzt wurde. Offensichtlich zu rege, wie sich nun zeigt.

Kurzerhand war die Sammelecke entfernt worden, inklusive der Bücher. Lange stand unsere Redaktion dann im Dunkeln: Eine Presseanfrage an den Bauhof blieb zunächst unbeantwortet. Der Bürgermeister vertröstete uns mit Worten. Ende September haben wir – auf mehrfaches Nachhaken – endlich eine klare Antwort vom ersten Bürgermeister erhalten. Dieser wusste nach eigenen Angaben nichts von der Anordnung, sämtliche abgegebene Dinge fortan als Restmüll zu behandeln.

Obwohl die Güterbörse seit des Umzugs zum neuen Werstoffhof nicht mehr offiziell existiert, ließ man bislang Nachsehen walten. Der rege Besuch wurde den Leitern von Baubetriebshof und Abfallwirtschaft zu bunt – laut Bürgermeister wurden das Verhalten dieser „Besucher“ als Belastung für den Betriebsablauf empfunden. Immer mehr Interessenten seien durch Bücher, Fahrräder, Spielsachen und teils sogar originalverpackte Waren an den Hof gelockt worden. Die Dienstanweisung, alle Waren direkt zu beseitigen sei für die Leiter der einzige „Weg für eine spürbare Verbesserung der Situation“ gewesen, wie uns Georg Reitsberger schriftlich mitteilt.

„Der Bürgermeister steht nicht hinter dieser Entscheidung“, betont er im Gespräch mit VaterstettenFM und berichtete, dass zumindest die Bücher vorerst gerettet seien. „Sie sorgte für großen Unmut und Unverständnis bei vielen Bürgern, die auch vorbrachten, dass dieses Handeln unvereinbar mit dem Nachhaltigkeitsgedanken einer zukunftsorientierten, umweltfreundlichen Gemeinde ist.“

Reitsberger, der beim Neujahresempfang im Januar noch kritisierte, dass wir zu einer Wegwerfgesellschaft geworden sein (die ganze Rede als Video), will jetzt handeln: „Wege aus der Wegwerfgesellschaft sind nicht nur Müllvermeidung und Mülltrennung, sondern auch die ressourcenschonende Weiterverwendung gebrauchter Güter. So erachte ich die Wiederbelebung an der Güterbörse für unbedingt notwendig. Meines Erachtens wäre das auch ein Teil eines praxisbezogenen Betätigungsfeldes der „Fridays for Future“-Bewegung.“

Die schriftliche Antwort erreichte uns erst rund zwei Monate nach Einreichung der Anfrage, ganz untätig war man in der Verwaltung während dieser Zeit jedoch nicht: Das Thema steht auf der Tagesordnung der kommenden Umweltausschusssitzung Ende dieses Monats. Bisweilen müssen die Bürgerinnen und Bürger noch ohne Tauschmöglichkeit – insbesondere für Bücher – auskommen. Einen öffentlichen Bücherschrank zum Tauschen, wie es ihn in anderen Kommunen schon lange gibt, existiert bislang nicht.

 

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